Mittwoch, 29. April 2009

Bayern Muenchen : Ein Verein in Trümmern

Das Scheitern von Jürgen Klinsmann beim FC Bayern ist nicht nur das Ende eines mutigen Reformversuchs, es ist vor allem der klare Beleg für kolossale Führungsschwäche. Die Installierung des abgehalfterten Meistertrainers Jupp Heynckes zeigt: Der Bayern-Vorstand ist nicht mehr auf der Höhe des aktuellen Fußball-Geschehens.

Wie Kai aus der Kiste zauberte der FC Bayern am Montag Jupp Heynckes auf den Tisch. Ex-Coach Ottmar Hitzfeld und Nachwuchstrainer Hermann Gerland waren gehandelt worden, aber dass ausgerechnet Heynckes jetzt die Mannschaft in die Erfolgsschiene führen soll, hätte schon zuvor kaum jemand für möglich gehalten. Dass Heynckes aber ein guter Freund des Bayern-Managers ist, war allgemein bekannt, hinter den Kulissen wird auch gesagt, dass der Ex-Trainer den Transfer des jungen Mönchengladbachers Alexander Baumjohann zu den Bayern stark befürwortet habe. Aber als Feuerwehrmann?

Zumindest eines steht fest: Wenn man einen Gegenentwurf zu Klinsmann gesucht hat, ist sein Nachfolger wohl der richtige Mann, Uli Hoeneß betonte jedenfalls schon in der Pressekonferenz, man habe sich für einen "Fußballlehrer" entschieden – und das sei etwas, was die Mannschaft jetzt brauche.

Rauswurf löst Probleme nicht

Und sein Vorgänger? Jürgen Klinsmann ist gescheitert, keine Frage. Aber er ist auch nur ein Bauernopfer, gescheitert sind vor allem Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und sogar der scheinbar über allem schwebende Franz Beckenbauer mit dem im Hintergrund agierenden Paul Breitner. Gescheitert ist auch die antiquierte Vereinsführung nach Gutsherrenart, wo die Verantwortlichen sich selbst immer noch höhere Kompetenz als ihren Trainern zubilligen. Nachdenken sollte man beim FCB über Strukturen und Entscheidungswege, sonst wird sich die Negativentwicklung der jüngeren Vergangenheit fortsetzen - unabhängig vom Erfolg des Fünf-Spiele-Auftritts von Trainergespenst Heynckes.

Die wichtigsten Gründe für das missglückte Experiment sind auch durch den Trainerwechsel nicht aus der Welt geschafft worden. Klinsmann hatte sich zwar als Reformator gegeben, auf dem Fußballplatz wurde allerdings wenig experimentiert und das liegt vor allem an einem Spieler: Franck Ribery. Seit seiner Verpflichtung 2007 ist der Franzose der herausragende Bundesliga-Spieler, mit seiner Form steht und fällt allerdings auch das Spiel des deutschen Rekordmeisters. Diese Abhängigkeit ist ein Problem, das zweite besteht darin, dass der Franzose im Grunde das Spielsystem diktiert. Denn Ribery ist allen Behauptungen der Münchner Führungsetage zum Trotz, nur auf einer Position Weltklasse: Wenn er links außen im Mittelfeld spielen kann, mit einem Verteidiger als Absicherung hinter sich. Damit ist ein 4-4-2 wie es Bayern spielt im Grunde vorgegeben und daran scheitern alle Experimente mit einer Raute oder einer Dreierkette in der Abwehr. Das sollte man wissen bei Bayern, nur müsste man dann auch konsequent danach einkaufen und den Kader entsprechend zusammenstellen.

Vorstand für Kader verantwortlich
Der aktuelle Bayern-Kader weist für die Ansprüche eines europäischen Spitzenklubs erhebliche Lücken in allen Mannschaftsteilen auf. Im Tor fehlt ein Spitzenmann ebenso, wie es keine ernsthaften Alternativen zur ersten Abwehrformation gibt. Im zentralen Bereich sind Mark van Bommel und Zé Roberto für internationale Maßstäbe einfach nicht gut genug, was Borowski in München will und soll ist unklar. Schweinsteiger auf dem rechten Flügel ist eine weitere Fehleinschätzung, vorne gibt Toni den alternden Weltmeister. Die Verantwortung für den schlecht zusammengestellten, aber dabei sehr kostspieligen Kader trägt nicht Klinsmann. Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Paul Breitner sollten sich hinterfragen, denn der Hauptfehler stammt noch aus der Vorsaison, als man in völliger Verklärung der realen Leistungen den Umbruch für abgeschlossen erklärte und offenbar wirklich glaubte, jetzt ein Spitzenteam von europäischem Niveau zu besitzen. So unterblieben notwendige Veränderungen und Ergänzungen, der neue Trainer wurde mit einem unzureichend besetzten Kader auf die Reise geschickt.

Ein Problem in diesem Zusammenhang ist die Abwanderung von Talenten, wobei die Tauglichkeit für eine Weiterbeschäftigung wohl nur oberflächlich geprüft wurde. In der Winterpause verlieh man Verteidiger Georg Niedermeyer und Supertalent Toni Kroos, im Sommer verkauft man Lukas Podolski (24) und Mats Hummels (20, bisher schon an Dortmund verliehen) und verpflichtet stattdessen einen Kroaten (Ivica Olic, 29) und einen Ukrainer (Anatoli Timoschtschuk, 30). Schon im vergangenen Sommer hatten die deutschen Nationalspieler Jansen und Schlaudraff das Weite gesucht.

Düstere Aussichten für den Renommierclub
Nach dem Klinsmann-Rauswurf steht Bayern am Scheideweg: Das Konzept, mit einem begeisterungsfähigen, unverbrauchten Trainer eine neue Mannschaft mit Flair aufzubauen, ist offensichtlich gescheitert. Für den Sommer wird jetzt ein Fußball-Fachmann gesucht, der als neuer Trainer auch gleich eine neue Mannschaft aufbaut. Um aber ein umgehendes Scheitern auch des neuen Mannes zu verhindern, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der neue Coach erhält mehr Kompetenzen bei der Zusammenstellung des Personals, oder ein Sportdirektor wird installiert, der mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl die Zusammenstellung des Kaders überwacht. Dabei handelt es sich nicht gerade um den anspruchsvollsten Job in der Liga, denn die Masse der erfolgreichen Einkäufe des FC Bayern im vergangenen Jahrzehnt hätte auch ein durchschnittlich informierter Kicker-Leser tätigen können - um in Cottbus oder Bochum erfolgreich zu arbeiten, muss man sich definitiv erheblich besser in der Fußballszene auskennen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen